“Ja, klar, die Präsi kann ich dir bis morgen fertigma…. Moment, Schatz, ich telefoniere gerade…sorry, äh ja, die Präsi. Kein Problem….arg, warte mal bitte ganz kurz…“ *Kamera aus, Mikro aus*
So geschehen in wahrscheinlich unzähligen Homeoffices in den letzten Jahren und -Überraschung! – regelmäßig auch hier. Dieser Artikel gibt einen kleinen Einblick in den ganz normalen Homeoffice-Wahnsinn im Hause Rasselbande und wie wir trotzdem meistens die Kurve kriegen. Auch wenn die Beißabdrücke in meiner Schreibtischkante dir etwas anderes weismachen wollen.
Und täglich grüßt das (Homeoffice) Murmeltier
„Guten Morgen, mein Schatz! Aufstehen!“ Betont fröhlich starte ich unsere Morgenroutine (Aufstehen steht bei den Räubertöchtern ungefähr auf gleicher Stufe wie Zwiebeln im Essen). Der erste Blick zum Bett. Kind schaut mich leidend aus halboffenen Augen an – Alarmstufe eins. Griff an die Stirn – Alarmstufe zwei. Fieber messen – Alarmstufe rot. Die gute Laune ist weg. Bei mir und beim Kind sowieso. Kind trösten, einkuscheln und versichern, dass es heute nicht in die Schule geht. (Tausche Schule gegen Kindergarten in Abhängigkeit der kranken Räubertochter.) Tiefes Durchatmen und schnelles Abrufen der Termine des Tages. Jonglieren, umplanen, resignieren. Nützt ja nix.
Also (wieder mal) ein Spagat zwischen Schreibtisch und Sofa. Zwischen Powerpoint und Disney Channel. Mit Kaffee und Fiebersaft. Warum ich denn nicht kindkrank nehme? fragt mein Papa mich per WhatsApp. Mein hysterisches Lachen kann er zum Glück nicht hören. Weil ich dann in den letzten sechs Monaten in Summe vielleicht zwei gearbeitet hätte.
Nein, ich übertreibe nicht. Denn wir haben drei Kinder. Und täglich grüßt das Murmeltier, nur eben ohne Bill Murray. Dafür Kranksein in Dauerschleife. Erkältung, Influenza, Magen-Darm, Hand-Mund-Fuß – munter durchgemischt und weitergereicht wie der goldene Staffelstab. Und kaum sind wir durch, fängt’s schon wieder von vorne an.
Ja, Bill Murray hätte seine wahre Freude an uns. (HIER geht’s zur Zusammenfassung des Films als Service für die Generation Z). Und deshalb werden die Kindkrank-Tage gehütet wie der goldene Ring (mein SCHATZZZZZZ), um für richtig „schlimme“ Fälle gewappnet zu sein. So, wie die OP unserer Tochter vor kurzem.
Personalmangel
Aber hey, nicht nur kranke Kinder führen zu „Kamera aus, Mikro aus“-Situationen. Nein, auch die gefürchteten E-Mails mit dem gänsehauterzeugenden Wort „Personalmangel“ im Betreff.
Und damit meine ich nicht die meines Arbeitgebers, sondern die unserer Kita. Denn auch Erzieher:innen werden krank. Vor allem, weil eben nicht alle Eltern den Luxus von Homeoffice oder fitten Großeltern vor Ort, dafür aber einen cholerischen Chef haben. Und deshalb ihr Kind mit fetter Rotznase in die Kita schicken, obwohl ein paar Tage zu Hause so viel besser gewesen wären. Wissen die meisten dieser Eltern. Können Sie aber leider trotzdem nicht realisieren. Weil die Kindkrank-Tage aufgebraucht sind und der Urlaub schon für Schließzeiten verplant ist. Oder aus tausend anderen Gründen, die ich ja eigentlich nachvollziehen kann.
Trotzdem dringt beim Lesen dieser E-Mail ein leises Grollen aus meiner Kehle, das einem nahenden Gewitter ähnelt. Denn so fühlt es sich gerade in meinem Innersten an. Ausgerechnet morgen! Da ist doch mein Bürotag! Endlich mal erwachsene Menschen! In echt und ohne Mikro-aus Funktion! Kantine statt Pizza aus dem Backofen! Auf die Reisbowl habe ich mich schon seit Tagen gefreut! Die Ausrufezeichen in meinem Kopf werden immer lauter.
Nützt aber nix. Denn Oma und Opa wohnen 400 km entfernt und der Mann hat ein Training. Oder eine Veranstaltung. Oder ein wichtiges Projekt mit tausend Onlinemeetings. Ich liebe meinen Mann. Wirklich. Er ist ein toller Vater. Aber diese spontanen Jongliereinlagen, der Spagat zwischen Kindern und Beruf, bleibt aus nachvollziehbaren Gründen zu 90% an mir hängen. Hatten wir vorher so besprochen, eben weil es nicht anders geht. Nervt trotzdem.
Bildschirmzeit – Vorstellung versus Realität
Was macht man nun mit dem 9 Uhr Meeting und dem kranken Kind? Oder dem fitten Kitakind mit kranker Erzieherin? Im ersten Fall: Lager auf dem Sofa, Apfelschnitze und Paw Patrol. Oder Bibi und Tina. Im zweiten Fall: Mal- und Bastelsachen rausholen, Spiele bereitstellen. Und nach 30 Minuten zur Vorgehensweise von Fall eins übergehen. Weil Kitaschließung hier nicht Arbeiten mit einem sondern mit zwei Kindern bedeutet und die Räubertöchter sich zwar unendlich lieben aber auch bis aufs Blut streiten können. Und Geschrei kommt im Homeoffice-Meeting nicht ganz so gut, wenn man gerade was sagen möchte.
Deshalb nutze ich zähneknirschend den flimmernden Babysitter und weiß jetzt schon, dass eben nicht nach einer Folge wieder ausgeschaltet wird. Auch, wenn’s vorher abgesprochen war. Denn die Bande weiß ganz genau, dass Mama meistens Einstundenmeetings hat = zwei Folgen, die man „gefahrlos“ schauen kann. Ja, die kleinen Sherlocks lernen schnell.
Und so summiert sich die Bildschirmzeit an solchen Tagen eben ganz schnell mal auf zwei Stunden und mehr. Bei kranken Kindern nicht ganz so viel, weil die glücklicherweise zwischendurch auch mal schlafen. Da sind dann auch Meetings mit Laptop auf dem Schoß und Hand an der heißen Kinderstirn drin. Schön ist beides nicht und trägt massiv dazu bei, mich für die heißeste Kandidatin des Rabenmutterpokals zu halten.
Überhaupt ist der innere Druck massiv. Das Schlimmste ist, dass er überwiegend selbstgemacht ist. Ich will es allen rechtmachen und erkenne meistens nicht, dass das gar nicht möglich ist. Da ist das mega schlechte Gewissen allen Beteiligten gegenüber, am meisten aber den Kindern. Weil ich ja, als ich schwanger war, dieses Bild von der vorlesenden, apfelringschnitzenden Mama im Kopf hatte. Und meine Kinder stattdessen jetzt vorm TV „parke“. Die das übrigens gar nicht so schlimm finden. Während ich denke, sie saßen da den ganzen Tag, war es bei ihnen „nur megakurz“. Typische Eigen- versus Fremdwahrnehmung.
Und so muss ich mir immer wieder neu sagen, dass das alles okay ist, wie es gerade ist. Denn an normalen Tagen bleibt das Fernsehen meistens aus und die Kinder kommen erst abends dreckverschmiert aus dem Garten. Aber das wird von meinem an diesen Tagen unter Dauerfeuer stehendem Gehirn eben erfolgreich verdrängt. Und das schlechte Gewissen macht’s nicht besser.
Deshalb an dieser Stelle eine kleine Erinnerung an dich und an mich: Wir Mütter machen das toll und unsere Kinder fühlen sich auch geliebt, wenn an manchen Tagen der Fernseher die Betreuung übernimmt. Weil sie wissen, dass an anderen Tagen die Vorlese-, Bastel- und Blödelmama wieder Zeit hat.
Mama, ich hab Kacka gemacht!
Bei all dem Ernst und Stress dieser Doppelbelastung gibt es doch auch immer wieder Situationen, die sich einer filmreifen Komik nicht entbehren (zumindest im Nachhinein betrachtet). Hier meine Top Five der Onlinemeetings mit Kind:
Nummer 5. Du stellst deinen Zoom-Hintergrund auf „Weichzeichnen“, damit die Kollegen das Chaos im Raum nicht sehen. Und auf einmal sehen deine Kinder aus wie Darsteller aus „The Ring“, wenn sie plötzlich hinter dir auftauchen.
Nummer 4. Es wird gut hörbar „Mama? Darf ich Schokolade haben?“ in Mikronähe geflüstert. Weil die kleinen Biester genau wissen, dass du hier und jetzt nicht über die Grundzüge gesunder Ernährung diskutieren wirst.
Nummer 3. Neben dir wird (gerne im Doppelpack) geschrien, was das Zeug hält. Weil du eben jetzt gerade im Moment keine Zeit hast, um das Kuscheltier zu nähen, die letzten fünf Kapitel von „Der kleine Drache Kokosnuss“ zu lesen, die Milch aus dem Keller zu holen … die Gründe sind verschieden. Eure Gesichtsfarbe allerdings ist identisch, nämlich rot. Die der Kinder vom Schreien, deine vom steigenden Blutdruck. Du bemühst dich, nicht mitzuschreien. Kamera aus (dein Mikro ist eh schon lange auf stumm). Weißt du jetzt, woher die Tischkante ihre Zahnabdrücke hat?
Nummer 2. Du telefonierst oben, die Kinder spielen unten im Wohnzimmer. Du kannst sie erzählen hören, sie lachen. Du freust dich, dass es heute so gut klappt, kein Geschrei, kein ständiges „Maaaamaaaaaa!“-Rufen. Ein schöner Tag. Nach deinem Telefonat gehst du nach unten. Eine Spur aus Legosteinen zeigt dir den Weg. Verwüstung im Wohnzimmer, aber das erzeugt bei dir nur ein müdes Schulterzucken. Kennst du ja. Plötzlich fällt dein Blick auf die Wand. Ein großes Buntstiftherz prangt auf der frischen Farbe. Unschuldiges „Ich war das nicht! Ehrlich, Mami!“ von den Verdächtigen. Ein großes G an der anderen Wand überführt Greta dann doch. Zorro lässt grüssen.
Die unangefochtene Nummer eins: Mit zehn Leuten im Meeting machst du in einer Grabesstille dein Mikro auf, um etwas zu sagen. Da tönt es in der ohrenbetäubenden Lautstärke einer Vierjährigen aus deinem Badezimmer: „Mama, ich hab Kacka gemacht!“ Du entschuldigst dich mit „Ähm, werde kurz gebraucht. Bin gleich wieder da!“ und hoffst, dass das Meeting bis dahin vorbei ist.
So bleibt als Fazit: Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Denn dieses wilde, verrückte, anstrengende Leben mit unseren Kindern ist zugleich eines der besten, echtesten und lohnendsten, das man sich vorstellen kann. Auch im Spagat zwischen Meeting und Popo abwischen. Denn hey, notfalls gibt es diese beiden Knöpfe: Kamera aus. Mikro aus.
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